Megatrend Digitalisierung: Kein Selbstzweck

So werden Geschäftsprozesse intelligent digitalisiert

(ew, Ausgabe 5/2021, 28.April 2021)
Digitalisierung ist kein Selbstzweck. Daher ist es auch nicht sinnvoll, bestehende analoge Prozesse lediglich eins zu eins zu digitalisieren. Nur wenn die neuen digitalen Prozesse einen zusätzlichen Effizienzgewinn mit sich bringen, profitieren Unternehmen langfristig von den angestoßenen Maßnahmen. Wie dies gelingen kann, zeigen Jan-Christoph Ernst und Michel Nicolai am Beispiel des digitalen Hausanschlussprozesses.

Man könnte meinen, in der Energiebranche wäre in den vergangenen Jahren ein regelrechter Digitalisierungswahn ausgebrochen: Es werden mehr und mehr Prozesse digitalisiert, Tablets in den Kundencentern ausgegeben und die Ansprache über digitale Touchpoints forciert um nur einige Beispiele zu nennen. Bei allem längst überfälligen Tatendrang sei aber die Frage erlaubt: Ist das immer der richtige Weg?

Prinzipiell sind jeder digitalisierte Workflow oder jedes digitale Produkt Schritte in die richtige Richtung. Nur sollte keiner dieser Prozesse rein um des Digitalisieren willens angepackt werden. Eine Digitalisierung des Portfolios ist nur dann sinnvoll, wenn sie durchdacht durchgeführt wird. Will heißen: Wenn sich Unternehmen eine Digitalstrategie auf die Agenda setzen, sind sie gut beraten, dabei Sinnhaftigkeit, Nutzen und Vorteile der bestehenden Prozesse hinsichtlich moderner Standards zu analysieren, sie gegebenenfalls zu modernisieren und zu verbessern. Denn: Analoge Prozesse eins zu eins zu digitalisieren, ist nicht die Lösung. Nur wenn neue digitale Prozesse einen zusätzlichen Effizienzgewinn, zum Beispiel durch Mitarbeiter- oder Dienstleisterentlastung, automatisierte Prozessabwicklung oder den Gewinn neuer relevanter Daten, mit sich bringen, können Unternehmen langfristig von den angestoßenen Maßnahmen profitieren. Das ist vor allem für Netzbetreiber wichtig. Denn gerade hier stehen Mitarbeiter vor der Herausforderung, steigende Anforderungen mit knappen Zeitplänen und Ressourcen zu bewältigen. Durchdachte digitalisierte Geschäftsprozesse können ihnen die notwendige Entlastung ermöglichen. Außerdem steigert es die Effizienz, wenn Mitarbeiter oder Dienstleister von überall arbeiten können: von zu Hause, auf der Baustelle, unterwegs. Mit der richtigen Unterstützung durch digitale Prozesse und Apps ist so eine ganz andere Arbeitsweise möglich. Das gilt nicht nur beim Thema Digitalisierung: Generell gehören Prozesse und Produkte von Zeit zu Zeit auf den Prüfstand, um sie auf ihren Nutzen für Unternehmen und Kunden zu überprüfen.

Ziele: Effizienzgewinn und Nutzerorientierung

Genau das hat die Harz Energie Netz getan, als es um die Digitalisierung des Hausanschlussprozesses ging. Der vorherige Prozess war geprägt von Medienbrüchen und Fehleranfälligkeit: Excel-Daten mussten manuell in das SAP-System übertragen werden, um Angebote anfertigen zu können. Beim Kunden vor Ort wurden die Angaben zunächst sogar auf Papier erfasst. Für die Harz Energie Netz war es deshalb neben den offensichtlichen Vorteilen wie Zeitersparnis und fehlerfreier Dokumentation zusätzlich wichtig, bei der Angebotserstellung mit Schnelligkeit gegenüber dem Kunden zu punkten – es sollte möglich sein, das Angebot innerhalb von 2 statt 14 Tagen rauszuschicken. Mit dem digitalen Hausanschlussprozess von epilot sind die Teams der Harz Energie Netz nun deutlich effizienter unterwegs: Jetzt können sie den Prozess direkt digital in die Wege leiten – und das auch flexibel mit dem Tablet von unterwegs oder im Kundencenter. Theoretisch könnte das Angebot so bereits in wenigen Minuten fertig sein. Gewünscht war zudem, die Angebotsanfrage für Kunden künftig deutlich zu beschleunigen: Das ist nun mittels einer Klickstrecke auf der eigenen Homepage möglich – und entspricht den Erwartungen vieler Kunden, die sich unabhängig von Öffnungszeiten und Papierformularen schnell um ihre Angelegenheiten kümmern möchten.

Stetige Optimierungen und Ergänzungen sind gewollt

Die Erarbeitung des digitalen Hausanschlussprozesses fand in einer Pilotgruppe statt. Gemeinsam mit anderen Netzbetreibern der Thüga-Gruppe wurden dort die individuellen Anforderungen und Wünsche an den Prozess definiert, erarbeitet, überprüft und gegebenenfalls angepasst. Der Vorteil bei dieser Herangehensweise: Jedes Unternehmen konnte seine Perspektiven einbringen, was bei einem fertigen Produkt oft nicht der Fall ist. Besonderes Merkmal dieses agilen Vorgehens: Das gemeinsam entwickelte Produkt ist zwar nicht bis in die allerfeinste Nuance ausgearbeitet, aber schnell einsatzbereit. So wurde zum Beispiel die von Harz Energie Netz benötigte Schnittstelle zum SAP-System erst zu einem späteren Zeitpunkt in die Lösung integriert. Dieses Vorgehen ist für die Energiebranche bisweilen noch ungewohnt, birgt aber enorme Vorteile. Beim Software-as-aService-Cloud-Anbieter epilot ist man überzeugt: Wenn das Produkt rasch in die praktische Anwendung vieler Partner kommt, lässt es sich schnell zu seiner besten Version optimieren.

Kreative Pausen sind erlaubt

Das innovative Mindset einer solchen Pilotgruppe steht exemplarisch für die moderne Softwarewelt, in der es gilt, deutlich transparenter und offener zu agieren und gleichzeitig finanzielle Risiken zu minimieren – und das, indem man sich auf gemeinsame Ziele und eine Entwicklungsstufe einigt, die die Praktikabilität am Markt ermöglichen. Im Fall der Weiterentwicklung der kleinstmöglichen Lösung ist die Frage nach der Marktrelevanz dabei bereits positiv geklärt. Natürlich beinhaltet ein solches Vorgehen, sich ein Stück weit in die eigenen Karten schauen zu lassen, indem man Einblick in interne Prozesse gewährt. Die Vorteile sind indes enorm. Dazu gehört zum Beispiel, dass Unternehmen nicht jeden Entwicklungsschritt in gleicher Intensität mitgestalten müssen, sondern sich auch mal zurücknehmen und anderen den Vortritt überlassen können. Dadurch werden beteiligte Unternehmen stark entlastet. Es geht also primär nicht nur allein darum, Kosten und Risiken bei einer Neuentwicklung auf mehrere Schultern zu verteilen, sondern seine eigene Arbeitszeit effizient einzusetzen.

Bei der Digitalisierung von Geschäftsprozessen ist der Einsatz einer Pilotgruppe Standard bei epilot. Gemeinsam mit der Community werden die Bedürfnisse moderner Energieversorger und Netzbetreiber herauskristallisiert und gemeinsam die beste Lösung erarbeitet – nicht nur in Pilotgruppen, sondern generell in gemeinsamen Austauschtreffen. Neben dem digitalen Hausanschluss sind so auf der Netzseite unter anderem die Prozesse Inbetriebsetzung, die Anmeldung von EEG-Anlagen und Ladeinfrastruktur sowie ein Installateursverzeichnis entstanden. Auch Energiedienstleistungen, Commodities und Breitband können über epilot vertrieben werden. Weitere Produkte werden folgen.

Autoren:

Jan-Christoph Ernst, Assetmanagement Netze, Harz Energie Netz GmbH, Osterode am Harz
Michel Nicolai, CEO & Gründer, epilot GmbH, Köln

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