Der Kampf um Klimaneutralität und Energie-Autonomie
Die Auswirkungen des russischen Angriffskrieges und des Klimawandels setzen nicht nur Politik, Unternehmen und Gesellschaft unter Druck. Die kontinuierlich erneuerten und ergänzten Gesetze zur Erreichung der Klimaneutralität sowie der Wunsch nach Energie-Autonomie bzw. Unabhängigkeit vom Ausland stellen Stadtwerke und Verteilnetzbetreiber vor sehr komplexe Herausforderungen.
Denn Sie müssen die enorm angestiegene Zahl an Netzanschlussbegehren für Solaranlagen, Ladeinfrastruktur, Wärmepumpen und andere Energieanlagen fristgerecht bearbeiten. Und diese Nachfragesituation wird sich noch verstärken, da das Interesse der Bürger:innen stetig wächst. Folglich ist die Digitalisierung für Netzbetreiber unverzichtbar und zudem gesetzlich reguliert.
Verkürzte Reaktionszeiten für Netzbetreiber
Zuletzt kam die Entscheidung hinzu, dass es bis Ende Juni 2024 erlaubt ist, Solaranlagen bis 50 kW installierter Leistung bei ausreichender Kapazität des bestehenden Netzanschlusses an das Netz anzuschließen, wenn der Netzbetreiber auf ein Netzanschlussbegehren nicht innerhalb eines Monats reagiert. Jetzt ist Schnelligkeit und Effizienz gefragt: Netzbetreiber müssen ihre Reaktionszeit signifikant verkürzen, um der stetig wachsenden Nachfrage gerecht zu werden und die Netzsicherheit zu gewährleisten.
Anmeldung von EEG-Erzeugungsanlagen
Weiterhin sind auch das Erneuerbare Energien Gesetz (EEG) und das Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) nicht zu vergessen. Letzteres ist das zentrale Steuerungsinstrument für den Ausbau der erneuerbaren Energien und verfolgt das Ziel, den Anteil Erneuerbarer bis 2050 auf mindestens 80% zu steigern. § 14e EnWG sieht vor, dass sich Anschlussbegehrende ab 2024 über die Internetseite des zuständigen Netzbetreibers informieren und Netzanschlussbegehren darüber abwickeln können sollen.
Zudem müssen ab dem 1. Januar 2025 Einspeiseprozesse für Anlagen bis 30 kW auf Grundstücken mit bestehendem Netzanschluss digitalisiert und vereinfacht werden (§ 8 Abs.7 EEG). Wie die Umsetzung in der Praxis aussehen könnte und welche Vorteile sich für Netzbetreiber aus der Digitalisierung der Netzanschlussprozesse ergeben, erfährst du etwas weiter unten in diesem Artikel.
Rasant wachsende Zahl an Netzanschlussbegehren
Es ist kein Geheimnis, dass Netzbetreiber bereits jetzt von einer Überflutung von Anfragen betroffen sind und mit der Bearbeitung und Ausführung kaum hinterherkommen. Seien es Mitarbeiter- und Fachkräftemangel oder langwierige interne Prozesse. Faktoren wie diese verhindern eine schnelle Bearbeitung und Umsetzung von Anfragen und Aufträgen. Egal, ob im Bereich „Netzanschluss“, „EEG“ oder „Inbetriebsetzung“ bzw. „Konzessionierung“, alle Netzbereiche sind ausgelastet.
Genehmigungen und Anmeldungen für PV-Anlagen sind mit einer Vielzahl von manuellen Schritten und verschiedensten Kommunikationskanälen mit Kunden verbunden. Informationen und Daten werden postalisch, per Mail und/oder im Kundencenter aufgenommen und in verschiedenen Programmen und Tools verarbeitet.
So wird zwischen diversen Excel-Dateien, Mail-, Abrechnungs- und CRM-Systemen hin- und her gewechselt. Zudem arbeiten mehrere Personen simultan in einer Excel-Tabelle oder Anträge fließen in eine allgemeine Mailadresse und gehen in dem Chaos aus unterschiedlichsten Belangen unter. Zudem ergab sich in einer Studie von BearingPoint das Fazit, dass
- die Regelungen zu Anmelde- und Genehmigungspflichten von PV-Anlagen unter den Netzbetreibern sehr uneinheitlich sind und
- keine allgemein definierten und zumeist nicht vollständig digital durchführbaren Anmeldeprozesse bestehen.
Die neuen gesetzlichen Anforderungen verstärken den Druck, Prozesse zu vereinfachen und zu digitalisieren.
Laut einer PwC Studie sagt “gerade einmal knapp jede dritte Führungskraft […], dass das eigene Unternehmen über eine systematisch ausgearbeitete Übersicht des geltenden Energierechts verfügt.” Daher zeigen wir in diesem Blogbeitrag auf, wie eine gesetzeskonforme Umsetzung der Digitalisierung für Netzbetreiber aussieht.
Quelle: https://www.pwc.de/de/energiewirtschaft/Studie_Digitalisierung_und_Energiewende.pdf
Gesetzeskonforme Effizienz: Digitalisierung der Anschlussprozesse für Netzbetreiber
Es bedarf ab 2024 der Möglichkeit, ein Netzanschlussbegehren als Endkunde auf der Webseite des Netzbetreibers vorzunehmen. Über spezielle Software für Netzbetreiber kann dies in kürzester Zeit mittels moderner Klickstrecken (“Journeys”) auf der Webseite realisiert werden. Netzbetreiber können so nicht nur bisherige Formulare 1:1 digital nachbauen, sondern alle erforderlichen Informationen nutzerfreundlich Schritt für Schritt abfragen. Der BDEW empfiehlt folgende Kriterien zur Definition eines Standard-Netzanschlusses:
- Leistungsbedarf: als bestimmter Wert an der Übergabestelle (in kW)
- Anschlusslänge: Länge der Hausanschlussleitung auf dem Grundstück (in m)
- Anschlussvariante: im Gebäude /außerhalb vom Gebäude
- Nutzungsart: Einfamilienhaus, Mehrfamilienhaus, Sonstiges
So klickt sich der oder die Anschlussbegehrende durch die Klickstrecke, erhält eine Kostenübersicht und schickt die Anfrage per Klick ab. Das Ganze geschieht ohne jegliches Zutun des Netzbetreibers. Informationen werden im Backend strukturiert gesammelt und können von den Mitarbeitern bearbeitet werden. Über ein Kundenportal, das ebenfalls über geeignete Software-Lösungen zur Verfügung gestellt werden kann, können Kunden den Status ihrer Anfrage jederzeit einsehen.
Nach der initialen und einmaligen Einrichtung werden solche Abfragestrecken somit sozusagen zum Selbstläufer und leisten einen wesentlichen Beitrag zur Vereinfachung und Beschleunigung von Netzanschlussbegehren.
Da geht aber noch mehr: Innovativ in die Energiezukunft mit einem Netzportal ab 2025
Ab 2025 müssen die Abfragen auf der Webseite der Netzbetreiber um ein Netzportal ergänzt werden, über welches Netzanschlussbegehren und Informationen übermittelt werden können sowie der Status zum Auftrag eingesehen werden kann. Netzbetreiber können aber auch hier direkt weiterdenken. Statt lediglich die Anfrageaufnahme und –bearbeitung von Netzanschlüssen zu digitalisieren, können Netzbetreiber auch die Inbetriebsetzung und das Thema Konzessionierung hinzunehmen.
Nachdem die Anschlussbegehrenden ihre Anfrage verschicken, kann so von der Angebotslegung bis zur Inbetriebnahme ein durchgängiger und (teil-)automatisierter Prozess („Workflow“) in Gang gesetzt werden. In diesem end-to-end-Prozess können Installateure und weitere Marktpartner einbezogen werden, die den Hausanschluss und die Inbetriebsetzung umsetzen und ebenfalls ihre Fortschritte digital festhalten. Dadurch können sich Kunden bzw. Bevollmächtigte jederzeit selbständig über den Prozessfortschritt informieren, was weniger Aufwand für Servicemitarbeiter bedeutet.
Auf diese Weise entsteht ein transparenter Prozess zwischen Kunden, Partnern und Mitarbeitenden und ein reibungsloser und fließender Übergang zwischen den notwendigen Prozessschritten.
Die Vorteile der Digitalisierung für Netzbetreiber
In den folgenden Abschnitten zeigen wir auf, welche Vorteile die Digitalisierung der Netzanschlussprozesse aus Sicht der Netzbetreiber bietet.
1. Effizienzsteigerung
Die Digitalisierung automatisiert manuelle, zeitaufwändige Prozesse. Das führt zu einer erheblichen Steigerung der Prozesseffizienz, da weniger menschliche Eingriffe notwendig sind und weniger Raum für Fehler bleibt, z. B. Tippfehler bei Adresseingabe oder Angabe der Zahlungsdaten durch die Kunden. Eine automatisierte Datenvalidierung verhindert solche Fehler.
Aber es verringern sich auch Fehler oder Verzögerungen, die durch das Hin-und-her-Wechseln zwischen verschieden Netzer-Softwareprogrammen entstehen z. B.
- wenn man Daten von einem Programm ins nächste überträgt oder
- viele Personen gleichzeitig in ein und derselben Excel-Arbeitsmappe arbeiten oder
- (Kunden-)Informationen nur auf dem persönlichen Computer oder auf Zetteln festgehalten werden.
Diese und viele weitere Szenarien steigern die Fehleranfälligkeit und/oder verlängern den Umsetzungszeitraum. Wenn z. B. ein Mitarbeiter Kundeninformationen auf seinem Computer oder Zetteln festhält und krankheitsbedingt ausfällt, kann der Prozess entweder gar nicht oder nur sehr langsam fortgesetzt werden, da die Informationen entweder verloren gehen oder für andere Mitarbeiter nicht zugänglich sind.
2. Kosteneinsparungen
Durch effizientere Prozesse und weniger Fehler spart man automatisch Zeit und damit Geld. Kunden können sich die meisten Fragen selbst im Online-Portal beantworten, Formulare einreichen oder Informationen einpflegen und ergänzen. All diese Daten fließen in eine digitale Akte. So können sich die Mitarbeiter des Netzbetreibers auf die Teile der Anfragenbearbeitung konzentrieren, die zwingend manuelle Prüfungen bzw. Schritte erfordern.
Außerdem durchlebt die Energie- und Wärmebranche aktuell eine sehr dynamische Zeit voller Veränderungen. Aus diesem Grund fallen immer wieder erneut (kurzfristig) Kosten an, um z.B. geänderten gesetzlichen Anforderungen gerecht zu werden. Durch die Nutzung geeigneter Netzbetreibersoftware sparen Netzbetreiber z. B. im Vergleich zu Agenturleistungen deutlich Kosten ein. Denn Agenturen müssten die Anforderungen in aufwendiger und langwieriger Arbeit umsetzen, während eine gute Software für Netzbetreiber bereits Vorlagen bietet und diese somit stets innerhalb kürzester Zeit startklar sind.
3. Rechtssicherheit und Compliance
Rechtssicherheit und Compliance stellen einen weiteren bedeutenden Vorteil dar. Da die Digitalisierung der Netzanmeldeprozesse nun gesetzlich gefordert wird und wahrscheinlich ist, dass in Zukunft noch weitere Gesetzesänderungen folgen werden, ist es ein großer Vorteil, dass spezialisierte Software für Netzbetreiber solche Markt- und Gesetzesänderungen im Auge behalten.
Sie bieten gesetzeskonforme und an den BDEW-Leitfaden gerichtete Lösungen für Netzportale an, die innerhalb kürzester Zeit individuell konfiguriert und live geschaltet werden können. So ist man nicht nur bei aktuellen Veränderungen sicher, sondern auch in Zukunft. Software-Anbieter bieten stets an die neuste Rechtslage angepasste Vorlagen an, die schnell auf die Webseite bzw. ins Netzportal übertragen werden können.
4. Skalierbarkeit
Ein digitales Netzportal und ein holistisch gedachter Ende-zu-Ende-Prozess sind auch langfristig für die Zukunft des jeweiligen Netzbetreibers bedeutsam. Warum? Die Nachfrage nach Erneuerbaren wird weiterhin stark wachsen. Vollumfänglich digitalisierte und automatisierte Prozesse reduzieren den manuellen Aufwand auf ein Minimum dessen, was bislang bei der Arbeit mit Papierformularen erforderlich war.
Diese Aufwandsreduktion bleibt bestehen, egal wie stark die Zahl an Anschlussbegehren wächst, die Prozesse skalieren problemlos mit. Je stärker die Antragszahlen wachsen, desto mehr rentiert sich die Digitalisierung. Das vorhandene Budget steht somit für andere Innovationen und Investitionen zur Verfügung.
5. Höhere Flexibilität
Eine digitale Lösung erlaubt eine schnelle Anpassung an sich ändernde Bedingungen. Energienetzbetreiber können besser auf Marktentwicklungen, gesetzliche oder politische Änderungen und andere Herausforderungen reagieren. Anpassungen auf der Webseite, in den Klickstrecken für Anfragen oder in nachgelagerten digitalen Prozessen im Webportal sind schnell umgesetzt.
Tipp: Eine höhere Flexibilität ist insbesondere dann gegeben, wenn die eingesetzte Software zur Digitalisierung der Netzanschlussprozesse auf No-code-Technologie basiert und somit ohne Programmierkenntnisse durch den Netzbetreiber selbst konfigurierbar ist.
6. Bessere Kommunikation & Transparenz
Über das moderne Netzportal können Mitarbeiter Nachrichten mit Kunden austauschen. So werden Informationen an einem zentralen Ort festgehalten und gehen nicht verloren.
Außerdem können sie auch mit Partnern darüber kommunizieren, z. B., wenn eine Installation abgeschlossen wurde. Der automatische Versand von Nachrichten und eine automatische Dokumentengenerierung als Teil von Workflows erleichtern und optimieren die Kommunikation mit Kunden und Partnerbetrieben zusätzlich.
Jede beteiligte Partei kann sich über das Portal über seine Aufgaben, den letzten Stand im Prozess und Fristen sowie Dringlichkeiten informieren. Die vollständige Prozessabwicklung geschieht so in einer einzigen Gesamtlösung, statt über verschiedene Programme als Insellösungen.
7. Integrationsfähigkeit
Wenn die ausgewählte Software eine Bandbreite an Integrationspartnern aufweist, ist das ein gutes Zeichen. Denn die Anbindung an Drittsysteme erweitert den Funktionsumfang je nach Erfordernissen des individuellen Netzbetreibers und sichert eine effiziente Datenübertragung. Welche Vorteile dies bietet? Es können z. B.
- vollständig digitalisierte Netzverträglichkeitsprüfungen und automatisierte Genehmigungsprozesse in Gang gesetzt oder
- nach Abschluss der Netzanschlüsse automatische Rechnungen über gängige Abrechnungssysteme wie Schleupen versandt werden.
Fazit
Zusammengefasst können Netzbetreiber durch die Digitalisierung ihrer Prozesse ihre Effizienz deutlich steigern, Rechtssicherheit gewährleisten, Kosten senken, die Qualität ihrer Dienstleistungen verbessern und auf lange Sicht wettbewerbsfähig bleiben.
Zudem erzielt man weitere positive Nebeneffekte wie eine höhere Nachhaltigkeit aufgrund des reduzierten Papierverbrauchs, eine gesteigerte Kundenzufriedenheit und ein positives Image. Auch mit Blick auf die Zukunft und die Skalierbarkeit der Netzprozesse ist die Digitalisierung eine große Entlastung.
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